Kraftort-Bergwanderung Sigriswiler Rothorn

Schattiger Wald, idyllische Alpweiden, urchige Karstlandschaft, prächtiger Rundblick

Das Sigriswiler Rothorn gehört weder zu den höchsten noch zu den bekanntesten Berge des Berner Oberlands, und vielleicht ist es genau das, was ihm seinen ganz besonderen Reiz bewahrt hat. Keine Bergbahn, kein Restaurant, kein breiter Spazierweg – nur der imposante Gipfel in seiner ganzen Kraft.

Für diese Wanderung solltest du Trittsicherheit und eine stabile Kondition mitbringen und in der Lage sein auch längere Strecken bergauf/bergab wandern zu können, denn geradeaus geht es auf dieser Tour praktisch nie.

Wir starten unsere Tour beim Skilift Wilerallmi und stimmen uns im Schatten einer kraftvollen Fichte auf den heutigen Wandertag ein. Nach einem kurzen Stück über Wiesen treten wir dann in den morgendlich kühlen Wald ein. Der recht steile Anstieg wird uns jedoch bald zum Schwitzen bringen. Ein Stück des Weges werden wir schweigend gehen. Die Stille hilft uns, ganz im Hier und Jetzt und bei uns selbst anzukommen und die Umgebung sowie unseren Körper in Bewegung noch achtsamer und intensiver wahrzunehmen. Der anregende Aufstieg durch den schönen Wald führt uns im Zickzack immer höher, vorbei an einer imposanten Felswand, bis wir schliesslich auf der Ebene der Alp Underbärgli ankommen. Es ist beeindruckend wie sich die Energie mit einem Schlag ändert. Weite und Leichtigkeit machen sich breit. Der Blick schweift über die blühende Alpenwiese zum gegenüberliegenden Niederhorn und weiter in die Ferne zu den Schneebergen. Wer will, kann bei der Alphütte ein Stück frischer Alpkäse für unterwegs kaufen.

Dann geht es weiter über Wiesen bergauf. An den Dolinen und Spalten im Grund erkennen wir rasch, dass wir uns hier in einem Karstgebiet befinden. Je höher wir kommen, umso felsiger, wilder und geheimnisvoller wird die Landschaft. Beim Blick in die vielen Klüfte, Spalten und Höhlungen bekommt man eine Ahnung, dass Naturwesen wie Feen, Elfen, Zwerge und Kobolde wohl doch nicht nur in Märchen und Mythen existieren.

Auf der Alp Oberbergli machen wir dann unseren Mittagsrast und geniessen dieses faszinierende und sehr kraftvolle Stück Erde mit seinem besonders schönen Karrenfeld und dem im Sommer oftmals rot gefärbten Tümpelchen. Eindrücklich ist auch der Blick auf die furchigen Steilwände des Niederhorns, hinter denen bereits die Spitzen der schneebedeckten 4000er ­– Eiger, Mönch, Jungfrau, Finsteraarhorn und Schreckhorn – hervorschauen.

Frisch gestärkt geht es weiter bergwärts, der Rothorngipfel im Blick. Der Weg wird immer steiniger, bald lassen wir die letzten Bäume hinter uns und erfreuen uns am Bild der furchigen, bizarren Kalkfelslandschaft. Am Fusse des Sigriswiler Rothorns angekommen eröffnen sich spektakuläre Blicke, zwischen den Felsen durch, ins Justistal. Nun geht es an den 10–15minütigen Gipfelaufstieg. Die ersten paar Meter sind eine kurze Kraxelpartie, wo der Einsatz der Hände gefragt ist. Die Stelle ist jedoch gut passierbar. Oben angekommen werden wir mit einem fantastischen Rundumblick belohnt. Er reicht über das Justistal, das Niederhorn, das schneebedeckte Alpenpanorama, den Thunersee mit der Niesen-Pyramide, übers Emmental und bis weit ins Mittelland und in den Jura hinein. Doch auch das Energiefeld des Gipfels selbst ist kräftig, lass es auf dich wirken. Den gewitzten Alpendohlen gefällt es hier ebenfalls. Sie spielen akrobatisch in der Thermik und schauen immer mal wieder vorbei ob wohl jemand noch etwas Picknick für sie übrig hat.

Sofern es die Witterung und die Gruppenzusammensetzung erlauben, nehmen wir für den Rückweg das weglose Stück über den Sigriswilgrat durch die reizvolle Karstflanke. Aus dieser Perspektive wirkt das zuvor bestiegene Rothorn wie ein mächtiges Felsenschiff in der Landschaft oder wie der Rücken eines schlafenden Drachens.

Etwas später tauchen wir wieder in eine urchig-mystische Welt ein, die von eigentümlichen Gesteinsbrocken und Felsformationen, mit Bäumen durchsetzt, geprägt ist. Danach führt uns ein schöner Pfad durch Wald und über Wiesen wieder zum Ausgangspunkt der Wanderung zurück.